Unsere Aufgabe ist es, Menschen zu gewinnen – Ein Ausblick auf das Reformationsjubiläum mit Bischof Dr. Tamás Fabiny

Unsere Aufgabe ist es, Menschen zu gewinnen – Ein Ausblick auf das Reformationsjubiläum mit Bischof Dr. Tamás Fabiny

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Quelle: Christophoros, Text: Holger Manke
Wittenberg – ringsum historische Stätten der Reformation. Ein guter Ort, um sich auf das Erbe und den Auftrag der Reformation zu besinnen. Und ein guter Ort, um mit einigem Abstand auf aktuelle Fragen in der ungarischen Kirche zu blicken. Bischof Dr. Tamás Fabiny blickt zurück auf das, was ihm die Lutherstadt Wittenberg bedeutet und welche kirchlichen Aufgaben er mit dem Reformationsjubiläum kommen sieht.

Bischof Dr. Tamás Fabiny am 31. Oktober 2012 an der „Thesentür“ der Schlosskirche zu Wittenberg

Wir sprechen in Wittenberg. Was bedeutet dir persönlich diese Stadt?

Ich war als Kind mit meiner Familie schon oft hier. Damals war ich klein und habe die Bedeutung dieser Orte nicht genau verstanden. Die hiesige Diakonissenarbeit – und wir haben bei unseren Reisen durch die Lutherstädte oft bei Diakonissen gewohnt – war für mich etwas Fremdes, das gab es damals in Ungarn noch nicht. Auch die Liederbücher mit gotischen Buchstaben konnte ich nur mit Mühe lesen.

Mein Vater als Kirchengeschichtler hat uns mit seiner Begeisterung für Luther, dessen Thesen und Melanchthon das in mancher Hinsicht fremde Wittenberg nahegebracht und ans Herz gelegt. Daher gehört Wittenberg von klein auf zu meiner Identität.

Heutzutage, als Vizepräsident des Lutherischen Weltbundes, komme ich mindestens einmal pro Jahr  hierher. Im Rahmen meiner Fernseharbeit habe ich mit Dániel und Vilmos Gryllus hier gedreht – wir begaben uns für eine mehrteilige Serie auf die Spuren ungarischer Studenten, die im 16. Jahrhundert hier studiert haben und die ähnlich wie Luther in Form von Liedern die reformatorischen Lehren verbreitet haben. Darüber hinaus verbinden mich Seminare mit dieser Stadt. Und im Luthergarten durfte ich einen Baum für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Ungarn pflanzen.

Ich bin froh, dass nächstes Jahr das Jugendtreffen „Young Reformers Network“ hier stattfindet. Dort werde ich in einem Kino gemeinsam mit Zsolt Richly den Luther-Zeichentrickfilm präsentieren. Ich bin auf die Resonanz sehr neugierig. Zudem stehen uns eine Ratssitzung und der Kirchentag in Wittenberg bevor.

Blicken wir auf die Feier des Reformationsjubiläums in Ungarn: Was erwartet die ungarischen Gemeindemitglieder im Jahr 2017?

Die Gemeindeglieder erwarten sicherlich viel, weil das Jubiläumsjahr schon eine so prominente Rolle im kirchlichen Denken einnimmt. Doch ich warne die Gemeindeglieder und auch mich selbst davor, alles im Jahr 2017 unterzubringen. Das wäre zu viel – und auch methodologisch wäre es falsch. Wir sollen nicht denken, dass alles 2017 passieren soll, aber nur wenig vorher und nichts nachher. Ich würde vorschlagen, so viel wie möglich schon vorher zu organisieren – zum Beispiel Reisen in die Lutherstädte. Wir haben im Bischofsrat angedacht, mit den Dekanen die Lutherstädte zu besuchen. Die Dekane können diese Reise wiederum als Anlass nehmen, in ihren Dekanaten ebenfalls solche Reisen zu unternehmen – das sollte noch vor 2017 sein.

Und im Reformationsausschuss habe ich gefragt: Was passiert am „32. Oktober“ 2017? Also, das bedeutet: Was machen wir nach dem Reformationsjubiläum? Das Leben muss weitergehen.

Das Reformationsjubiläum selbst soll in den Gemeinden selbst gefeiert werden, also nicht in großen Stadien, sondern in Gemeinden, denn es ist das evangelische Prinzip, dass die Kirche in den Gemeinden lebt.

Wie siehst du den Spagat zwischen der Erinnerung an die Geschehnisse vor 500 Jahren und den erhofften neuen Erneuerungsimpulsen für das aktuelle kirchliche Leben? Beides schwingt ja in der Erwartung des Reformationsjubiläums mit.

Mir ist wichtig, dass wir das Reformationsfest nicht nur historisch begehen, sondern dass wir Perspektiven für die Kirche aufzeigen. In meiner Antrittsrede als Bischof im Jahr 2006 in Miskolc habe ich ganz bewusst den Doppelbegriff conservando et renovando verwendet. Über conservando sprechen wir derzeit sehr viel. Wir wollen bewahren, was uns 1517 gebracht hat – und es ist gut, dass wir eine Luther-Reihe herausgeben. Doch es ist noch wichtiger, über das renovando nachzudenken und eine Zukunft für die Kirche finden. Dazu gehört auch die Arbeit unseres kirchlichen Strategieausschusses.

Dann frage ich dich mal – nicht als Bischof, sondern als Kirchenmitglied: Was gehört deiner Meinung nach auf die renovando-Liste? Was muss man ändern?

Mein Professor Károly Prőhle hat uns immer gelehrt, dass die Reformation eine Bekehrungsbewegung war. Die erste der 95 Thesen hat mit Umkehr zu tun. Das heißt: Die Spiritualität soll in der Kirche wieder wichtiger werden – stattdessen sollten weniger Zeremonien, strukturelle Fragen und Gebäude im Vordergrund stehen. Unser Strategiepapier hat den Titel „Lebendige Steine“ – und das weist ja auch in diese Richtung. Steine haben wir genug: Wir haben Pfarrhäuser gebaut und Kirchen renoviert und Schulen zurückerhalten. Die lebendigen Steine, von denen wir im 1. Petrusbrief lesen, sind doch anders. Es ist wichtig, dass wir Menschen in der Kirche haben – wir wollen Menschen erreichen und wiedergewinnen, auch junge Leute, auch säkularisierte Menschen, auch die mittlere Generation, auch die von der Kirche Enttäuschten. Das ist die Aufgabe.

Und damit zusammenhängend müssen wir das Ehrenamt stärken, denn die Arbeit in der Kirche ist oft eine One-Man-Show. Das heißt, der Pfarrer muss alles allein tun und bekommt wenig Unterstützung.

Ein weiteres Thema ist die Professionalität. Wir sind in vielen Fragen immer noch Amateure. Unsere administrative Arbeit, unsere Schularbeit, unsere diakonische Arbeit haben Nachholbedarf. Enthusiasmus allein ist nicht genug.

Und ein Letztes: Wir müssen auch an unserer Vernetzung arbeiten. Viele Menschen in den Gemeinden, in den Schulen, an der Fakultät oder in der Kirchenleitung arbeiten an guten Ideen, aber die Synergie fehlt.

Zur Ehrenamtlichkeit: Wie stellst du dir die Stärkung des Ehrenamtes vor?

Es liegt daran, Menschen zu finden, die sich gerne in den Dienst der Kirche stellen. Vielleicht gibt es etliche, die auch auf Grund ihres finanziellen Hintergrunds auf keine Bezahlung angewiesen sind. Auch denke ich an die Gemeinschaftsstunden, die die Mittelschüler zu leisten haben. Hier ist es wichtig, ihnen in diesem Pflichtstundenprogramm auch tatsächlich sinnvolle Aufgaben zu geben. Auch die können ja Freude am Ehrenamt wecken.

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